Bevorstehende Veranstaltungen
die zwischenweltstadt
Ein Aufstand, ich stehe, etwa drei Stunden später als vernünftig gewesen wäre, stehe am Herd und gebe der Hitze meiner Wut nach, wenigstens das. Wut hindert nie am Aufstehen, Wut hindert am Einschlafen oder am Genießen, aber nie am Aufstehen, im Gegenteil, sie befördert ein ungestümes Aufstehen, das im Überschuss an Energie Schränke umreißt, nur unzureichend als Tollpatschigkeit getarnt. Wut ist gut, wenn man ich ist. Als ich nicht aufgestanden bin, war ich noch zu klein zum Aufstehen. Von neun bis zwölf Uhr war ich das Subjekt meiner Welt, das Opfer von Umständen und Umständlichkeiten, geplagt von irrtümlichen Sehnsüchten nach maskierten Menschen, die vorgeben, mich zu lieben, um mich anschließend triumphierend fallen zu lassen. Man gewöhnt sich an sein Lieblingsleid wie an eine Lieblingsspeise oder ein Lieblingslied und trägt es wie ein hässliches, aber treues Kleidungsstück. Und treu ist es, treu war es, treu bleibt es, bis man ihm selbst die Treue kündigt.
Am Herd, als ich meine Wut bemerkte, die eine gute Wut ist, geriet ich geistig in eine Zwischenweltstadt. Die Zwischenweltstadt ist eine Stadt, die ich schon einige Male besucht habe, oder sie mich, und die mich immer freilässt. Ja, es ist genauer, zu sagen, dass sie mich besucht, anders als das heimatliche Gewässer kann ich sie nicht suchen. Ich bin mir sicher, dass der Weg in die Zwischenweltstadt jedes Mal ein anderer ist, nicht nur, wenn man aus einer anderen Richtung oder aus einem anderen Grund sie aufsuchen würde. Vermutlich ist sie die Hauptstadt meiner Zwischenwelt, oder wenigstens eine der größten Städte, die es dort gibt. Es kann auch sein, dass es die einzige Stadt dieser Welt ist. Ihre Elastizität ist das Eine, wenig verwunderlich. Biegt man um eine Ecke, um die man glaubt schon einmal gebogen zu sein, wandelt sich die Szenerie, die Bauweise der Häuser, die Biegung der Straße, die Neigung, sogar das Licht. Es gibt Muster an Wänden, die Tierfellen nachempfunden sind, dennoch darf man sich davon nicht zu der Vorstellung verleiten lassen, es handele sich hier um eine archaische oder gar altmodische Stadt. Sie ist gleichermaßen aus der Zeit gefallen und nicht im geringsten zeitlos in einer Weise, wie ein gefallsüchtiger Architekt etwas als „zeitlos“ beschriebe. Müsste ich ein einziges Wort finden, um die Zwischenweltstadt zu beschreiben, wäre es das Wort „perspektivisch“.
Was nun das Befreiende an der Zwischenweltstadt ist, lässt sich schwer fassen. Einige Vermutungen, die sich im Laufe der letzten Jahre an mich wagten: Sie ist beruhigend, weil sie vierdimensionales Reisen in vertrautem Beton anzeigt. Die Elastizität nimmt man ihr nicht übel, denn wenigstens ist sie kein Wald, zum Glück kein Wald, um Himmels Willen, Gott sei’s gedankt, kein Wald. Zum zweiten scheint sie keine Schwerkraft zu haben, niemals sah ich jemanden laufen. Schwerwiegender als die Schwerkraft ist ja die Schwere im Magen, alle diese Schweren kennt die Zwischenweltstadt nicht. Jede Schwere ist ein Kuriosum, jedes Lieblingsleid etwas, das mit einem Lächeln quittiert wird, seitens der schwingenden Treppen, der gemusterten Fassaden, des wechselnden Lichts.
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